Haben Hunde einen Gerechtigkeitssinn?
Können Hunde erkennen, wenn sie unfair behandelt werden? Die Frage, ob Hunde einen Gerechtigkeitssinn haben, beantworten viele Hundehalter automatisch mit Ja. Doch was sagt die Wissenschaft zu dem Thema? Eine neue Studie will jetzt für Klarheit sorgen.
So langsam erkennt auch die Wissenschaft an, dass Hunde zu komplexen Gefühlsregungen fähig sind. Ob die beliebten Vierbeiner tatsächlich einen Gerechtigkeitssinn besitzen, wie von so vielen Hundehaltern angenommen, hat jetzt eine neue Untersuchung der Universität Wien kritisch unter die Lupe genommen. Dafür nahmen sich Jennifer Essler und ihre Kolleginnen vom veterinärmedizinischen Institut aber nicht nur den besten Freund des Menschen vor, sondern auch seinen wilden Verwandten, den Wolf.
Haben Hunde einen Gerechtigkeitssinn? Ein Experiment gibt Aufschluss.
Zugegeben, so ganz wild waren die Wölfe nicht, die sich die Wissenschaftlerinnen für ihr Experiment vornahmen. Denn sowohl die beteiligten Hunde als auch ihre Verwandten, wurden in Rudeln im Gehege des Wolfsforschungszentrums Ernstbrunn in Österreich aufgezogen. Trotzdem geben die Ergebnisse der neuen Untersuchung einige interessante Einblicke. Doch zunächst vom Anfang: Um zu testen, ob Hunde und Wölfe einen Gerechtigkeitssinn besitzen, trainierten die Forscherinnen die Tiere darauf, auf ein Zeichen hin einen großen Knopf mit der Pfote zu drücken. Taten sie dies, wurden sie dafür mit einem Leckerli belohnt. Je ein Hund und ein Wolf wurden dabei in gegenüberliegenden Gehegen getestet, sodass sie sehr genau sehen konnte, was und wie viel der Testpartner für seine Leistung erhielt.
Unfaires Verhalten wird sofort geahndet.
Im weiteren Verlauf des Experimentes gingen die Forscher dann dazu über, je einen Partner entweder gar nicht zu belohnen, oder nur mit einem von den Tieren als minderwertig angesehenen Leckerli. Während der eine zum Beispiel ein rohes Stück Fleisch für seine Leistung bekam, erhielt der Testpartner nur ein Stück Trockenfutter. Die Folge: Sowohl Hund als auch Wolf stellten die Kooperation im Experiment ein. War allerdings kein Testpartner anwesend, beteiligten sich sowohl Hund als auch Wolf weiter am Experiment, auch wenn die Belohnung ausblieb.
Rangordnung im Rudel ist ebenfalls wichtig für Duldsamkeit der Tiere.
Daraus schlossen die Wissenschaftlerinnen nicht nur, dass Hunde einen Gerechtigkeitssinn haben, sondern auch, dass er nicht – wie früher vermutet – unmittelbar mit der Domestikation durch den Menschen zusammenhängt. Denn auch die getesteten Wölfe zeigten deutlich eine Reaktion auf die unfaire Behandlung. Viel wichtiger scheint dagegen die Rangordnung im Rudel zu sein. Tiere, die in der Rangordnung weit oben standen, reagierten deutlich schneller auf die für sie unfaire Behandlung, als ihre rangniedrigeren Kollegen – und zwar bei Hunden wie Wölfen.
Wölfe sind nachtragender als Hunde.
Einen Unterschied gab es dann aber doch: Während die Hunde ihren verletzten Gerechtigkeitssinn sehr schnell vergaßen und nach abgeschlossenem Experiment freudig wieder Kontakt zu den Forscherinnen aufnahmen, verhielten sich die Wölfe eher nachtragend und hielten Abstand. Alle Ergebnisse der Studie sind im Fachmagazin "Current Biology" nachzulesen, wo die Wissenschaftlerinnen ihre Analyse veröffentlichten.